Karmapa Center of Education (KCE), a Buddhist model school founded by Thaye Dorje, H.H. the 17th Gyalwa Karmapa

Karmapa über die Bedeutung der monastischen Sangha

Kalimpong, 23. November 2015 – In seiner Eröffnungsrede wandte sich Thaye Dorje, der 17. Gyalwa Karmapa, an die anwesenden Rinpoches, Mönche, Freunde und Interessierten aus der Region sowie die Freunde, die aus der ganzen Welt angereist waren. Gyalwa Karmapa begrüßte die Versammlung zu dieser feierlichen und zugleich symbolischen Eröffnung:

‚Als erstes möchte ich mich bei all jenen bedanken, die diese Veranstaltung, und mehr noch, diesen Ort möglich gemacht haben. Die Hauptursache für eine so positive Umgebung sehe ich als Buddhist in dem Segen der Buddhas und Bodhisattvas und dem Segen unserer Linie. Darüber hinaus hat jeder einzelne von uns mit Wünschen und Gebeten einen Teil beigetragen. Durch diese Kombination haben wir diesen wunderbaren Ort geschaffen.

Mit den Jahren werdet ihr das genaue Ziel und die Absicht dieses Platzes besser und besser verstehen. Ziel ist es natürlich, die Aktivität des Buddha-Dharma zu stärken, was nichts anderes bedeutet, als eine zeitgemäße buddhistische Praxis und besonders die monastische Sangha weiter zu stärken. Hierin besteht das vorrangige Ziel.

Ob wir der Lehre Buddhas folgen oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Solange wir in dieser Welt leben, solange wir menschliche Wesen sind, sehnen wir uns nach Glück, nach Frieden, nach Wahrheit, und wir sehnen uns danach zu verstehen. Es gibt unzählige Ursachen, die dazu führen, dass Glück erfahren wird. Als Buddhisten sind wir der Überzeugung, dass die Umsetzung von Buddhas Lehre die Hauptursache unseres Glücks ist. Wir leisten unseren Beitrag in dieser Welt deshalb nicht nur für die Menschen, die Menschheit oder eine bestimmte Gruppe, sondern für alle Wesen.

Den Schwerpunkt, den wir hier durch ein einfaches Ausbildungszentrum setzen wollen, ist die Stärkung der monastischen Sangha. In vielerlei Hinsicht mag dies wie ein Novum erscheinen, wie eine Fiktion. Das ist möglich.

Ich muss zugeben, dass es eine Art Experiment darstellt, eine fantastische Idee – denn von der Geburt des Buddhismus vor etwa 2500 Jahren bis heute, konnte die Lehre Buddhas durch nichts geringeres als die Qualität der monastischen Sangha fortbestehen. Und diese Tradition, dieses System hat sich über all diese Zeit bis zum heutigen Tage in einer sehr traditionellen Weise fortgesetzt. Und jetzt plötzlich mit dieser Idee zu kommen, dass wir der monastischen Sangha durch eine einfache Schule wirklich helfen können, hört sich extrem fantastisch an. Von daher müssen wir das genaue Ergebnis abwarten. Das Ergebnis ist hier nicht als etwas Solides zu verstehen, sondern im Sinne dessen, was wir hier erreichen wollen: Nämlich dazu beizutragen, die Lebensspanne der monastischen Sangha zu verlängern. Das ist das Ziel.

Ich weiß es sehr zu schätzen, dass ihr alle hier seid und großes Interesse zeigt, das Projekt auf unterschiedliche Weisen zu unterstützen. Seid hierfür meiner tiefen Dankbarkeit gewiss – ich mache starke Wunschgebete, so dass eure Unterstützung nicht umsonst ist, sondern wunderbare Früchte tragen wird. Früchte, die natürlich nichts anderes sind, als die Entwicklung einer wahren monastischen Sangha.

Die monastische Gemeinschaft, die wir im Moment hier haben, ist das Ergebnis großer Anstrengungen vergangener Generationen – großer Meister und Anhänger der buddhistischen Lehre. Wenn wir uns diese monastische Gemeinschaft, die wir hier und auf der ganzen Welt haben, genau anschauen, stellen wir fest, dass es möglich ist, dass sie sich mit der Zeit immer weiter reduziert. Folglich könnte sich die Lehre Buddhas selbst auch mehr und mehr zu einer der ‚fantastischen Ideen‘ entwickeln, wie ich bereits erwähnte.

Daher müssen wir unsere Energien und Ideen bündeln und sicherstellen, dass diese monastische Gemeinschaft nicht mit der Zeit verschwindet. Wenn uns das gelingt, wird die Ursache unseres Glücks erhalten bleiben – wenn nicht, dann wird es recht schwierig. Es mag vielleicht auf den ersten Blick nicht so einfach sein, den Zusammenhang zwischen diesen beiden zu erkennen: der Stärkung der monastischen Sangha und unserem Glück. Folgende Überlegung mag diesen Zusammenhang verdeutlichen.

Gemäß dem Vinaya spricht man ab einer Mindestanzahl von vier Mönchen von einer monastischen Gemeinschaft. Sollte sie aus mehr Mitgliedern bestehen, dann ist die Sangha natürlich stärker. So gesehen, erleben wir im Moment wundervolle Zeiten. Ganz gleich, wie sehr wir meinen, in einer degenerierten Zeit zu leben, sind wir noch immer sehr vom Glück begünstigt, weil wir monastische Gemeinschaften um uns haben.

Der Nutzen oder das Glück entstehen nun in der Weise, dass man durch den Eintritt in die monastische Sangha logischerweise ausreichend Zeit und Freiraum gewinnt, um sich eingehend mit der Lehre Buddhas, dem Dharma, zu befassen. Dazu gehört unter anderem, reichlich Zeit zu haben, um tiefgehend zu untersuchen, was es bedeutet, Mitgefühl zu haben oder Weisheit zu besitzen. Ohne das monastische Umfeld, ganz gleich in welch vollkommener Gesellschaftsform wir auch leben mögen, hindern uns die zahlreichen Verantwortlichkeiten, die wir innerhalb unserer Gesellschaft haben, daran, die tiefe Bedeutung des Dharmas wirklichen zu verstehen. Wenn wir eine monastische Sangha haben, erhalten viele von uns Zugang zu der tieferen Bedeutung der Belehrungen. Das wiederum verhilft uns dazu, das anzusammeln, was in unserem Leben am essentiellsten ist: Verdienst.

Diejenigen, die der monastischen Sangha beitreten, sammeln riesiges Verdienst an und diejenigen, die sie unterstützen, tun dies in demselben Ausmaß, einfach dadurch, dass sie sich daran erfreuen und sie unterstützen. Wenn das verloren geht, dann haben wir keine reale, substantielle Quelle von Verdienst mehr, und mehr noch, wenn die Quelle von Verdienst fehlt, dann gibt es automatisch auch keine Quelle für Weisheit mehr. Durch diese Kettenreaktion verlieren wir zunehmend den Sinn für Mitgefühl und Weisheit, und sobald dieser verloren ist, führt dies natürlich zu Unzufriedenheit, Ruhelosigkeit oder zu allen möglichen Formen von unangenehmen Erfahrungen oder Gefühlen.

Diese bauen sich dann immer und immer weiter auf, bis zu dem Punkt, an dem wir nicht mehr klar unterscheiden und differenzieren können, was beispielsweise Mitgefühl ist und was Anhaftung, da sie in vielerlei Hinsicht zu ähnlich erscheinen. Auf diese Weise kippt dann unsere gesellschaftliche Ordnung bzw. die soziale Gerechtigkeit. Die Unterscheidung zwischen heilsam und nicht heilsam, richtig und falsch, angemessen und unangemessen, all dies geht verloren.

Ein Wort, das ich gewöhnlicherweise benutze ist ‚Anstand‘: Wenn es keine monastische Sangha mehr gibt, wird uns das schließlich auf einen Weg führen, auf dem es keinerlei Anstand mehr auf dieser Welt gibt. Wenn das passiert, dann schauen wir in eine sehr düstere Zukunft. Wenn wir den Nutzen der monastischen Sangha also nicht verstehen, dann müssen wir uns die Zeit nehmen, uns dieses Verständnis anzueignen.

Das heißt nicht, dass wir plötzlich die Robe tragen und unseren Kopf rasieren sollen. Wir können uns aber zumindest die Zeit nehmen, darüber nachzudenken und zu verstehen, was es bedeutet, wenn jemand die monastischen Gelübde nimmt. Ich denke, dass es von großem Nutzen ist, wenn ihr dies tut. Ich möchte jeden gerne darum bitten, dies zu tun. Wenn ihr das Verständnis erlangt habt, dann schafft diese Art von Umfeld, bietet Unterstützung an und motiviert diejenigen, die es brauchen. Dies gilt besonders für die Jugend, da die zukünftigen Generationen der monastischen Sangha in besonderem Maße von der Jugend abhängen. In den Himalaya-Regionen sind die Menschen noch sehr mit dem Dharma und seiner Geschichte verbunden und kennen tatsächlich ihren Wert.

Nehmt euch deshalb bitte etwas Zeit, all dies zu bedenken und Jugendliche zu ermutigen, falls sie Interesse zeigen. Vor allem, wenn ihr in ihnen den ‚Funken‘ seht, dass sie mehr darüber erfahren möchten, was es bedeutet, den Luxus von Zeit zu haben, um über die Praxis von Mitgefühl und Weisheit zu reflektieren. Wenn ihr dies tut, dann werden nicht nur wir selbst in diesem Leben Glück und Frieden erfahren, sondern wir sichern auf vielerlei Weise auch das Glück kommender Generationen.

Ich bin mir bewusst, dass ich viel gesagt habe, ohne richtige Einführung und ohne ordentliche Reihenfolge. Dennoch wollte ich diese Gelegenheit wahrnehmen und einen der Hauptgründe darlegen, warum wir diesen Platz geschaffen haben.

Mögen wir diesen Moment – und jeden Moment unseres Lebens – dazu nutzen, unser Bestes zu tun und den Wert und die Ursachen unseres Glückes zu verstehen. Vielen Dank!‘